„Arschbombe“ – der Kleine steht auf dem Sofa an der Kante, zieht mit Schwung die Beine nach vorne und lässt sich auf den Po plumpsen. Er reißt die Arme hoch: „Geschafft!“ Ich schaue zu und lache. In solchen Momenten erleben Kinder ihre Selbstwirksamkeit. Sie machen etwas und es gelingt – das fühlt sich gut an. Die Bezeichnung für dieses Kunststück hat er übrigens nicht von mir…
Wenn etwas (noch) nicht klappt
In unserer Wohnung haben wir im Wohnzimmer einen Haken in die Decke gebohrt. Hier hängt wahlweise eine Strickleiter oder eine Hängematte. Während unser älteres Kind hier schon an der Hängematte bis unter die Decke klettert, ist der Jüngere gerade am Anfang der Forschungsreise in die verschiedenen Bewegungsformen, die da möglich sind. Die Strickleiter wird von beiden genutzt, um sich mit den Händen festhaltend mit dem Po über den Boden zu rutschen – mit viel Schwung. Schwieriger war es für den Kleinen nachzumachen, wenn die Große die Strickleiter hochgestiegen ist. Da wackelt die unterste Sprosse zu stark, das Körpergewicht ist zu halten… nicht so einfach.
Mindestens drei Möglichkeiten
Wenn er frustriert darüber jammert, dass das nicht klappt, gibt es zwei Möglichkeiten, eigentlich drei.
- Entweder ich hebe ihn – das ist die schlechteste, da er dabei lernt, auf Hilfe angewiesen zu sein.
- Die anderen beiden sind: ich lasse ihn jammern, teile seine Unzufriedenheit, indem ich kundtue, dass ich das verstehe und lasse ihn immer wieder probieren – irgendwann wird er vielleicht aufgeben, es später nochmal probieren und ganz später oder auch ganz schnell eine eigene Bewegungsform, Bewegungsmöglichkeit finden auf die wir Eltern gar nicht gekommen wären. So geschehen ist das bei ihm beim Schaukeln lernen. Da er nur mit einem Bein über die Schaukel kam, schaukelte er einfach quer von einem Pfosten zum anderen. Machte auch Spaß. Und hatte er selbst geschafft. Die Schwierigkeit dabei ist, es selbst auszuhalten, dass das Kind unzufrieden ist und in seinem Unmut alles mögliche probiert, auch nicht Zielführendes. Unser Kleiner meckert z.B. uns dann gerne an – das ist oft schwer mitzutragen, wo wir doch eine „Lösung“ hätten.
- Die dritte Möglichkeit ist, Hilfe anzubieten: „Brauchst du Hilfe?“ Meist nickt er er: „Mama helfen.“ Dann erleichtere ich einen kleinen Teil der Bewegungsaufgabe. In diesem Fall halte ich die unterste Sprosse fest. So kann er hochklettern. Die Hilfestellung ist nicht ohne Tücken – er kommt gut hoch, runter ist allerdings ungleich schwerer. Er fädelt die Beine nach vorne in die Sprossen ein und rutscht-fällt dann vorne durch die Leiter, da er irgendwann die Hände loslässt. Ich schwäche seinen Fall etwas ab, halte ihn seitwärts fest, aber begleite seinen Sturz nur, so dass er die Konsequenz spürt.
Hilfe geben – ja oder nein?
Eine Hilfestellung im Sinne eines vorausschauenden Absicherns kann ich immer anwenden, wenn ich als Erwachsene Angst habe. Ich muss dabei gar nichts sagen – einfach dabei stehen und die Arme aufhalten und einen möglichen Sturz vorausdenken.
Gebe ich keine Hilfestellung bei Bewegungsaufgaben, kann das Kind vielleicht weniger machen, übt dabei aber die eigene Selbsteinschätzung. Halten wir ein Kind von einer Bewegungserfahrung ab, lohnt die Rückfrage: Ist die Gefahr ist gefühlt zu groß oder sind wir einfach gerade zu bequem, aufzustehen…
Beim Rutschen beispielsweise wird das Kleinkind zunächst von unten nach oben zu klettern versuchen und dann auf dem Bauch wieder herunter rutschen. Damit besteht viel weniger die Gefahr, sich weh zu tun, als wenn wir dem Kind „helfen“, von oben zu rutschen.
Auf dem Spielplatz
Beim Rutschen in der Öffentlichkeit kommt noch eine weitere Komponente hinzu: der Sozialdruck und die Angst vor der eigenen Fahrlässigkeit. Wenn wir in der Öffentlichkeit die Bewegungsentwicklung unseres Kleinkindes begleiten ohne ihm Vorschriften zu machen, kann es sein, dass wir von anderen Personen kritisch hinterfragt werden – oft nonverbal. Auf dem Spielplatz z.B.: „Du musst da unten an der Rutsche weggehen, gerutscht wird von oben“. Oft lässt sich aber ein Kompromiss finden, z.B. „Erst klettere ich von unten hoch und rutsche auf dem Bauch runter, dann rutschst du von oben“. Hier ist nur schwierig, den Sozialdruck auszuhalten.
Was, wenn etwas passiert?
Und bin ich als Mama oder Papa „schuld“ daran, wenn dem Kind etwas passiert? Fahrlässig handeln wir immer, wenn wir unsere Kinder fördern und nicht in Watte packen wollen. Wichtig ist nur, dass es nicht grob fahrlässig ist, also ich z.B. gar nicht da bin. Das heißt, so wie das Kind einschätzen muss, ob es sich jetzt traut, hier auf der Mauer zu balancieren, muss ich als Mutter einschätzen, ob ich es sicher finde, das Kind das alleine tun zu lassen oder ob mir wohler ist, wenn ich daneben laufe und das Kind bei einem Sturz auf größerer Höhe auffange(n kann). Die eigene Grenze finden, austesten und kennenlernen ist also nicht nur ein Thema für´s Kind!
Bewegungsentwicklung fördern
Am besten eignet sich natürlich für jedes Bewegungsneulernen ein leerer Spielplatz. Wie können wir Eltern die Bewegungsentwicklung unseres Kleinkindes gut begleiten? Wie alle anderen Lernerfahrungen in diesem frühen Alter bilden eine „Ja-Umgebung“ und ein permissiver, also erlaubender, Erziehungsstil den Rahmen, in dem Bewegungslernen gut gelingt.
Letztens saß ich mit dem Kleinen auf dem Schoß auf dem Boden und wir schauten ein Kinderbuch an, an dem sich einige Teile verschieben lassen. Ich konnte es mir ja nicht nehmen lassen und hab´s ihm gezeigt… Vorbild – Nachahmung, da hatte er´s natürlich schnell drauf, wo er schieben muss, dass das kleine Eichhörnchen erscheint… Ja, und habe ihm damit die Möglichkeit genommen, sich selbst länger damit zu beschäftigen und es selbst herauszufinden, ich weiß… Es ist manchmal einfach zu verführerisch – mich selbst gut fühlen, weil ich’s schon kann… Aber er schob und zog und meinte strahlend: „War ich.“ Also, wenn das keine Selbstwirksamkeit ist…