Zuhause in der Badewanne hat mein Sohn, 4 Jahre, entdeckt, dass er kopfüber vom Rand ins Wasser gleiten kann. Er verbiegt sich, es spritzt ordentlich und irgendwie klappt es. Was mich wundert: sogar ohne blaue Flecken. Was nicht fehlen darf, ist die riesige alte Taucherbrille von mir. Ohne Ausrüstung geht nix 🙂
Schwimmen lernen geschieht in der geeigneten Lernumgebung
Gestern Nachmittag sitzen wir im Garten und er fragt mich, ob wir ins Schwimmbad gehen können. Ich bin zögerlich, der Aufwand ist doch hoch. Papa und Schwester sind unterwegs, es steht nichts an und so stimme ich trotz eigene Müdigkeit zu. Das Packen und Mitarbeiten ist ein Selbstläufer bei dem Kleinen, wenn er etwas möchte. So stehen wir eine Stunde später mit dem Tandem in Warnemünde am Schwimmbad.
Unser „Hausschwimmbad“ ist eine halbe Stunde entfernt und kostet reduziert 15 Euro für mich und Kind. Dafür hat es ein großes Kinderbecken, in dem mein Sohn überallstehen kann mit einem Übergang von flach nach brusttief. Es ist mit Salzwasser gefüllt und hat als Zugabe noch eine Rutsche und seitlich Absätze, von denen gesprungen werden kann. Ein Traum fürs Schwimmen lernen als Kleinkind.
Wir schaffen es im Winter so 10mal dorthin, im Sommer, der hier an der Ostsee nicht unbedingt warm ist, knapp 5mal. Das Bad hat ein beheiztes Außenbecken, das mittlerweile für meine 10-jährige Tochter attraktiv ist.
Schwimmen lernen bedeutet Gefahren einzuschätzen
Das wichtigste ist, dass er stehen kann und sich dort sehr sicher ohne Schwimmhilfen bewegt. Er hat verstanden, dass es bei neuen Schwimmbädern oder Seen immer darum geht, ob er stehen kann, das fragt er selbständig bei mir nach. Diese Klarheit im Kopf – Boden unter den Füßen ist meine Sicherheit, ist nicht selbstverständlich, da er ein sehr vorauspreschendes Temperament hat. Wie wir das geschafft haben, beschreibe ich in meinem Artikel “Aus Konsequenzen lernen”.
Was mein Kind heute alles lernt
Als wir im Kinderbecken im Schwimmbad sitzen, weiß ich, warum mein Kind so gerne hierher kommt. Alles, was in der Badewanne nur begrenzt möglich ist, klappt hier raumgreifend und ausufernd:
– nach vorne werfen, Bauchklatscher machen und eintauchen,
– sich ins Wasser sinken lassen,
– unter Wasser paddeln wie ein Hund,
– nach vorne mit dem Kopf eintauchen,
– versuchen, den Kopf draußen zu lassen beim Paddeln,
– die Taucherbrille werfen und wieder hochholen.
Meine eigenen Impulse zurückstellen
Ich sitze die erste halbe Stunde nur dabei und schaue ihm zu. Es ist ein Genuss, wenn ich es schaffe, meine Befürchtung wegzuschieben, dass die Erwachsenen im Becken sich von seiner Spritzerei gestört fühlen. Schade, dass ich es nicht geschafft habe, meiner Tochter einen natürlichen Zugang zum Schwimmen zu ermöglichen. Hätte ich das Wissen damals gehabt, wäre es mir vermutlich schwerer gefallen, da sie viel zurückhaltender ist und ich immer das Gefühl hatte, sie zu etwas animieren zu müssen. Dabei braucht es „einfach“ eine Gefährtin, die selbst authentisch mitfühlt. Bei dem Kleinen bekomme ich nach einiger Zeit und einer kurzen Zwischenmahlzeit Lust, selbst ein bisschen zu plantschen. Da er beginnt, mich vollzuspritzen, strample ich lustvoll Wasser zu ihm zurück, was das Zeug hält. (Nicht ohne abzusichern, dass wir einer Ecke spritzen, wo sich andere nicht gestört fühlen.) Danach ist die Frage nach trockenen Haaren für mich hinfällig, weshalb ich tauchen kann. Später setze ich wieder mich an den Beckenrand.
Mich selbst einbringen
Nach einem Saunagang (ja, es gibt da eine Textilsauna :-)) und Schaukelei im Schaukelstuhl (wer hat den Trend gestartet, Hotelschwimmbäder seit neuestem mit Sofas auszustatten? Der Schaukelstuhl ist auf jeden Fall der Hit!) geht es wieder zurück in Kinderbecken. Ich bekomme ein Schwimmtier von meinem Kind gebracht, auf dem ich herumpaddle. Was es als Erwachsene nicht alles neu zu entdecken gibt. Ich sitze leicht vornübergebeugt, vermutlich wird meine Bauchmuskulatur benötigt, die zur Rückbildung der „Rektaldiastase“ nicht angespannt werden soll (ja, ist nach vier Jahren immer noch da …). Doch es ist erstaunlich, wie leicht ich durchs Wasser pflüge. Es entsteht ein Ein- und Aussteigespiel mit meinem Kind. Wasserball wegwerfen, Wasserball holen. Ich bin angenehm erschöpft und es wird Zeit, aufzubrechen. Auf der Rückfahrt schläft mein Kind in der Straßenbahn ein. Ich habe am nächsten Tag eine ordentliche Muskelkatze in Bauch und Rücken.
Sind Schwimmkurse nötig?
Nach meinen bisherigen Beobachtungen, wird sich mein Kind selbst das Schwimmen beibringen. Das sagen auch die jahrelangen Erfahrungen der Online-Schwimmschule von Evelyn Poudubrin und die Erfahrung einer Bekannten mit ihrer Tochter, die mittlerweile das Seepferdchen gemacht hat. Alles was ich mache, ist meinem Kind einen Rahmen zu schaffen, in dem er sich geschützt ausprobieren kann.
Einen Raum oder eine passende Lernumgebung zu schaffen, hat mehrere Aspekte: es gibt materielle, soziale, zeitliche Aspekte. Auch das Schaffen einer entspannten Atmosphäre gehört dazu.
Materialer Raum
Welches Schwimmbad/ welches Becken ist geeignet? Gehe ich in einen See, einen Fluss/ Bach oder ins Meer? In einem natürlichen Gewässer hat die Frage nach der Gefahr z.B. durch Strömung im Meer eine andere Qualität als in einem Schwimmbad.
Sozialer Raum
- Die Kommunikation mit anderen
Fühle ich mich gestört? Entschuldige ich mich für die Spritzerei meines Kindes? Ignoriere ich Blicke? Gehe lieber dann ins Bad, wenn nichts los ist?
- Die Kommunikation mit meinem Kind
Generell stelle ich meine Impulse zurück und mache ihm keine Vorgaben (was besonders zu Anfang schwer, aber auch besonders wichtig war. Er hat zunächst einfach nur am Rand und an den Stühlen gespielt.)
Ich bringe mich selbst einbringe, wenn ich Lust habe, denn ich bin auch Teil des Wasserspiels.
Zeitlicher Raum
Das Drei-Stunden-Ticket reicht gut aus. Ich achte auf meine und seine Ermüdungsanzeichen. Ich vorher mehrere Signale, dass wir bald gehen, um ihm ein Einstellen auf den Abschied vom Wasser zu ermöglichen.