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Familienpraxis 

Dr. Simone Lang

Es hat fast angefangen, seitdem er selbständig gehen kann: die Liebe zu allen blinkenden Knöpfchen, Schaltern, etc. Mittlerweile ist eines zur Passion geworden: Staubsaugen. Er ist unglaublich süß, wenn er mit dem langen, ihn ums doppelte überragenden Staubsaugerstiel herumhantiert oder mit abmontiertem Stiel Ritzen aussaugt oder auf Fußboden regelmäßig auf imaginären Staub „zustößt“. Denn echter Staub liegt da schon lange nicht mehr – keine Chance. Nochmal zur Klarstellung – der Kleine ist 20 Monate… Wir haben das nicht von ihm verlangt, der macht das freiwillig!

Faszination Staubsauger

Morgens: wird gesaugt. Mittags, na gut, da ist die Schwester da, die ist doch interessanter. Nachmittags hat die Schwester Klavier, der Kleine will: „Papa, saugen.“ Abends soll er ins Bett – Riesengeheule, weil er noch – klar, Staubsagen will. Mein Mann hat mit ihm mittlerweile aufgrund sauberer Bodenflächen sämtliche Türrahmen abgesaugt…

Weil mein Partner abends zum Sport los wollte, habe ich den Kleinen wieder übernommen. Während die Große friedlich einschlummerte, machten Mutter und Sohn – na was wohl. Bingo. Ich bin ja generell recht ausdauernd, was Kinderspiele betrifft. Ich lasse mich gerne darauf ein, weiß ich doch, dass sie dadurch bekommen, was sie brauchen – den Kontakt zu mir. Aber selbst für mich ist es an manchen Punkten zuviel und so konnte ich dann abends nicht mehr. Wollte nicht mehr, hatte keine Lust mehr etwas zu saugen, was ich schon fünf mal gereinigt hatte, wollte lieber die Wäsche machen, die hatte es wirklich nötig, typische Erwachsenendenke halt.

Ich habe mich ja gefragt, warum er so gerne saugt. Ist es das Geräusch? Wahrscheinlich auch. Manchmal will er nur, dass ich oder der Papa saugt, er spaziert dann vergnügt herum. Was ist es dann? Es scheint, als würde ihm der Ablauf des Staubsaugens Sicherheit geben. Beim Nachahmen lernt er saugen, ihn interessiert, wie das geht. Er saugt, übergibt mir den Saugkopf, ich sauge in den Ritzen des Sofas, übergebe wieder an ihn, er saugt ebenfalls die Ritzen. Und es werden Themen gespielt, die er jetzt schon kennt: der Staubsauger geht kaputt – Mama holt einen Schraubenzieher und repariert ihn.

Kommt unsere Putzkraft, ist er sofort dabei. Sie bekommt den Eimer gebracht – nicht ohne, dass nicht zuvor jedes Putzmittel einzeln zu ihr getragen hätte. Er ist an ihrer Seite, wenn der Staubsauger aus dem Heizungsraum geräumt wird. Er wappnet sich mit dem zweiten Aufsatz. Fängt sie an, schrubbt er parallel daneben oder auch mal vor ihrer Nase mit seinem Aufsatz herum. Mit größter Ernsthaftigkeit kann ihn das über für ihn lange Zeitspanne faszinieren.

Wenn die Geduld am Ende ist…

Aber gestern abend um neun hatte ich einfach keine Lust mehr. Und war da auch ganz klar für mich: ich bin müde, habe jetzt wirklich nochmal ausgiebig mit ihm gesaugt und nun reicht es – für mich. Ich kann ihn nicht mehr gut ins Bett bringen, wenn ich meine Geduld und meinen Langmut da noch länger ausreize. So mussten wir da durch, dass er herzzerreißend weinte, weil es ganz furchtbar für ihn war, dass ich den Sauger ausschaltete. Er steigerte sich in das Weinen hinein und in meiner Müdigkeit konnte ich ihn zunächst nur lassen und beschäftigte meine Hände mit Wäsche zusammen legen. Als ich fertig war, wusste ich dass er jetzt nicht von mir hochgenommen werden möchte, merkte aber auch, dass er sich alleine nicht beruhigte und nahm ihn auf den Arm. Ging mit ihm aus dem Raum schaukelte und wippte ihn, all die Babyberuhigungsstrategien, die so in Fleisch und Blut übergegangen sind. Und allmählich wurde das Schluchzen weniger heftig.

Wer bin ich denn, darüber urteilen zu wollen, dass Nicht-mehr-Staub-saugen-dürfen NICHT schlimm sein darf. Ich konnte es ihm nicht ersparen, dass er etwas nicht durfte. Aber ich kann ihn IMMER dabei begleiten. Ihn trösten. Da sein, wenn er nicht getröstet werden will. Und meine Kinder wissen es beide zu schätzen, zeigen mir das hinterher mit Zärtlichkeit, wenn sie selbst durch ihr emotionales Loch durch sind. Die Dankbarkeit, dass ich sie in ihrem Schmerz nicht alleine gelassen, sondern in ihrer Nähe war.

Alles was wir Eltern tun können: Da Sein

Das Schwerste ist nur, meinen eigenen Schmerz in diesen Situationen auszuhalten. Denn ich will nicht, dass mein Kind so weinen muss. Ich hasse es und versuche es unter allen Umständen zu vermeiden. Dass ich so gut geworden bin darin, Lösungen zu finden, liegt darin begründet. Aber ich kann meinen Schmerz aushalten. Ich muss es können, denn ich bin die Große in der Beziehung zu meinem Kind.

Den eigenen Schmerz, das meint vor allem meine Erinnerungsspuren, die hochkommen. Erinnerungen, bewusst oder meist unbewusst, an Situationen in meinem Leben, wenn ich nicht getröstet wurde, wenn ich alleine mit emotionalen Verletzungen klar kommen musste. Ich nicht will, dass mein Kind das erleben muss. Alles wird in diesem Moment in dem Mitleiden mit meinem Kleinen hochgeschwemmt. Und ich muss es zulassen. Und mit ihm durchgehen. Meist rede ich dann mit ihm: „Ja, ich weiß, das ist so blöd, dass du nicht mehr saugen darfst. Du Armes, du armes Kind. Ich weiß, das ist total blöde, ach du bist so ein armes Kleines, mein armer kleiner Schatz…“ – in dem Tenor. Ein bisschen rede ich dabei auch mit mir. Und merklich wird es immer leichter.

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