Erfahrungen sammeln ist nicht immer positiv, z.B. wenn kind kopfüber in den Bach stürzt. Im Park bei uns nebenan gibt es einige Abzugsgräben. Das sind circa 60 Zentimeter breite, etwa 20 Zentimeter tiefe Rinnen, in denen Wasser wie in kleinen Bächen zum nächsten Fluß geleitet wird.
Schnell nochmal raus
Gestern waren wir zu viert „nur noch schnell“ mal zu viert draußen, die Sonne lachte und ich hatte den ganzen Tag noch keine intensivere Spielphase mit meinem kleinen Kind gehabt, was ich zum Abend hin sehnsüchtig bemerkte. Deshalb war ich am Schwanken, ob ich wir uns nicht sogar trennen sollten – ich mit meinem Sohn zum Wasser, mein Mann und meine Tochter z.B. zum Kletterbaum, wir blieben dann aber doch zusammen.
Der Kleine steuerte zielstrebig auf die Wiese zum nächsten Abzugsgraben, wir hinterher – sein neuer Lieblingsspielort. Dort angelangt wollte er die steile Böschung hinab, möglichst in den Bach hinein. Seine große Schwester meinte, etwas weiter hinten wäre eine schmalere Stelle, über die wir gut hinüber gehen könnten. So überzeugte ich den Kleinen, an der Böschung entlang ein Stück weiter zu gehen.
Wir gehen alle zurück
Mein Mann meinte, er würde schonmal zurückgehen und Abendessen vorbereiten. In dem Moment, als ich mich zu ihm drehte, um zu antworten, ging der Kleine, der vor mir war zwei Schritt am Ufer entlang, bekam etwas Übergewicht bachwärts, versuchte noch, sich mit dem anderen Fuß abzufangen, der noch weiter unten an der Böschung landete und stürzte in der Konsequenz ab. Drehte sich um 180 Grad und landete kopfwärts im eiskalten Wasser. Bei so einem Kleinen geht das noch. Der rutscht nicht einfach schlitternd mit einem Bein nach unten und plitscht dann ins Wasser. Nein, er drehte sich einfach komplett ohne die Hände nach oben zu nehmen und tauchte mit der linken Gesichtshälfte voran ein. Mein Versuch, ihn noch beim Stolpern zu erwischen scheiterte, so dass ich mit zwei Schritten hinterher und ins Wasser sprang, ihn am Anzug hochriss und auf dem Arm hoch auf die Wiese trug. Bis dahin hatte er auch wieder seine Stimme gefunden und brüllte sich den Schreck von der Seele. Ich meinte nur zu meinem Mann, wir würden dann doch alle mit nach Hause kommen. Die Große hatte auch schon auf dem Absatz kehrt gemacht. Es waren ja nur ein paar Meter nach Hause.
Dabei bleiben, bis die Gefühle durchlebt sind
Ich blieb bei ihm, verfrachtete ihn – immer noch heulend – ins Badezimmer, zog ihn aus und ließ ein warmes Bad ein, bevor ich auch mich von meiner Jacke entblätterte. Solange er noch weinte, behielt ich ihn bei mir auf dem Schoß – die körperliche Wärme und meine Stimme beruhigten. Es ist wie bei allem: Gefühle – gerade starke Gefühle wollen durchlebt werden und wir dürfen den Kindern dabei beistehen.
Die Große hatte sich solidarisch ebenfalls ausgezogen und saß schon in der Wanne, als der Kleine den Impuls zeigte, auch hinein zu wollen. Im Wasser war er noch etwas ruhiger als gewohnt und stammelte auch noch etwas von „gefallen“. Geduldig erzählte ich ihm, dass er ins Wasser gestürzt sei, ins kalte Wasser, dass er abgerutscht war, die Worte wiederholte ich immer wieder in unterschiedlichen Tonlagen, bis er es vom Kopf soweit verarbeitet hatte, dass es sich dem Spiel und der Wanne zuwandte. Als ich auf zum Waschbecken ging, wollte er allerdings dann raus, so dass ich mich wieder an den Wannenrand dazusetzte und ihn streichelte. Die beiden wollten, dass ich mich mit in die Wanne setzte, dazu war ich aber zu müde, so dass ich dem Kleinen zeigte, dass ja meine Arme und Hände mit in der Wanne wären. Das Spiel: Arme in der Badewanne, Arme wieder raus konnte ihn dann auch soweit überzeugen, dass ich nicht mir rein musste. Solche Erlebnisse schweißen im wahrsten Sinne des Wortes zusammen. Den Abend über waren wir innig verbunden.
Auch wir können etwas lernen
Wir selbst dürfen lernen, dass es nicht schlimm ist, Gefühle zu haben und zu zeigen. Als erwachsene Person eignet sich natürlich nicht jede Situation dazu, Gefühle auszuleben, z.B. im Arbeitskontext, aber bewusst machen sollten wir sie uns. Gefühle können auch später noch durchlebt werden. Nur ein Verdrängen führt nach Aussage meiner Heilpraktikerin langfristig zu Depressionen. Wissenschaftlich überprüft habe ich das noch nicht. Für mich hat es sich jedoch bewahrheitet und als gute Arbeitshypothese erwiesen.