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Familienpraxis 

Dr. Simone Lang

Bei fast allen langhaarigen Kinder stellt sich die Frage nach dem Kämmen – zumindest für die Eltern. Lange Haare haben ist schön, Haare bürsten ziept… Das ist echt doof. Für Mama und Kind in meinem Fall. Für meine Tochter, weil es ihr weh tut, für mich wegen der Diskussionen, ob oder nicht.

Heute morgen war es mal wieder soweit. Mein Kind hat sich toll selbst angezogen, was ich in meiner Morgenroutine gar nicht notiere. Erst als ich ihr recht gedankenlos den Zopfgummi aus den Haaren ziehe, beginnt ihr Widerstand. Ihr Gesicht verfinstert sich: „Du sollst mich nicht kämmen.“ Ah ja… Ich überlege… Für mich beschließe ich, ja, ich will heute Haare machen. Ich bin noch entspannt und meine freundlich: „Doch heute werden die Haare gekämmt.“ Kopf schütteln: „Ich will das aber nicht. Ich hab keine Lust.“ Ihr Laune ist sofort schlecht, dunkle Wolken an ihrem Stimmungshimmel, überall. Ich merke, wie auch ich ärgerlich werde: „Wir haben das ausgemacht. Es werden jeden Tag die Haare gekämmt.“ Ihre Stimmung sinkt rapide in den Keller, ein Gewitter steht kurz bevor.

Die Stimmung ist am Boden

Ich lasse mich anstecken, denn es ist nicht so als hätten wir dieses Thema zum ersten Mal. Wir hatten bereits vor einiger Zeit ein längeres Gespräch, in dem wir abgeklärt haben, welche Frisur möglich ist. (Etwas, das noch nicht ganz so schlimm ziept und ist trotzdem etwas länger wachsen darf.) Da fange ich jetzt nicht mehr an: „ Weißt du worauf ich keine Lust habe? Dass wir das immer wieder diskutieren müssen. Wir haben das abgesprochen. Und versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen. Das Gesicht öffnet sich etwas – irgendwie weiß sie schon, dass das stimmt hat.

Ich setze mich ins Bad, sie stapft hinterher, setzt sich auf die Toilette und beginnt, sich die Haare zu bürsten. „Ich hab´ trotzdem keine Lust.“ Ich denke kurz nach. Auch wenn sich meine Laune zunehmend verfinstert, hilft uns das nicht weiter. „Ich kann verstehen, dass es dich genervt hat, dass ich dir einfach den Haargummi aus dem Haar gezogen habe. Aber worauf ich echt keine Lust habe, ist, dass wir das immer wieder besprechen müssen. Da habe ICH keine Lust drauf.“ Jetzt steht ihr Unlust gegen meine Unlust. Und sie müsste ja nachgeben – zugeben, dass es stimmt, trotzdem will sie es nicht, weil das bürsten weh tut. Wie kommen wir zusammen?

Brückenbau von meiner Seite

„Ich kann versuchen, vorsichtig zu bürsten. Wenn es weh tut, kannst du mir sagen ‚Mama, das tut mir weh, kannst du bitte vorsichtiger bürsten.’“ (Ist schon klar, dass sie das so freundlich nie sagen wird…).

Was könnte es ihr bringen? Jetzt, in dem Moment, nicht erst später, dass sie KEINE verfilzten Haare hat… „Magst du dich vorher auf den Hocker stellen und im Spiegel schauen, wie deine Haars aussehen und hinterher auch nochmal?“ Ein Kopf schüttelndes Kind. Aber innerlich kommt anscheinend etwas ins Rollen. Sie verkündet: „Ich will einen Dutt.“ O.k., warum nicht.

„Willst du die Sachen dafür rausräumen?“ „Ja.“ Sie kommt ins Tun, kann etwas selbst machen, das tut ihr gut. Ich helfe, suche die Klämmerchen heraus, sie die Haarspangen und den Gummi. Wir unterhalten uns über die Anzahl der Klämmerchen und wie viele wir bisher immer genommen haben.

„Muss ich mich da runter setzen?“ „Ja.“ Sie nimmt vor mir auf dem Hocker Platz und gibt mir die Bürste. Ich fange an, die Haare hinten oben am Kopf zusammen zu kämmen. „Aua.“ „Du weißt, dass ich bei einem Dutt die Haare viel mehr kämmen muss, als bei deinem geflochtenen Zopf.“ „Ja, ich weiß.“ Die Tonlage (und Stimmungslage) ist schon fast wieder auf normal-freundlich.

Die Brücke wird mitgebaut und trägt

Nachdem die Frisur fertig ist, klettert sie auf den Hocker und das Waschbecken (das Gewicht hält der aus und ich bin ja dahinter). „Ich sehe nix.“ Ich rücke den Klappspiegel ein bisschen hinter. „Aaahhhh.“ Ihr Gesicht hellt sich auf. „Sieht gut aus.“ Ich helfe ihr runter und setze mich wieder auf einen Stuhl. Brückenbau gelungen.

In der wieder aufgeklarten Stimmungslage steigt sie auf meinen Schoß, ihr Gesicht ist ganz nah vor meinem. Sieht wirklich gut aus. Und wir sind ganz beieinander. Beziehung hergestellt. Kontakt geknüpft. Bindung und gegenseitiges Vertrauen gestärkt. Wir fühlen uns nah und ich habe Lust, den Moment auszukosten. Ich schaue sie an. Ich kitzle sie, wir spielen kurz aus Spaß „Hoppe reiter“ – sie ist ja schon so groß. Sie schlägt mir ein „Zuschnapp-Spiel“ mit den Händen vor, was wir auch spielen.

Natürlich sind wir spät dran. Dafür trägt die gebaute Bindungsbrücke. Essen, Zähne putzen und Jacke anziehen klappt dann wie am Schnürchen.

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