Heute morgen meckerte der Kleine (ein Jahr, vier Monate) in einer Art und Weise – so eine Art Schimpfmeckern, dass klar war, jemand soll kommen und ihm helfen. Er bekommt es gerade alleine nicht hin. Ich gehe mit fragendem Blick zu ihm – er deutet energisch auf den Windelbeutel unter dem Kinderwagen, der schon halb herausgezogen, feststeckt: „DaDa“.
Ich ziehe den Beutel hervor, er formuliert etwas das sich anhört wie „auf“. Ich zeige ihm, wie ich den Reißverschluß aufziehe, gebannt folgt sein Blick meiner Hand. Als der Beutel offen ist, räumt er aus: eine Unterlage – die gibt er mir, ich bedanke mich – eine Windel – auf den Boden damit, noch eine Windel, noch eine, ein Päckchen Taschentücher. Ich halte den Beutel. Er zippelt den Klebeverschluß am Taschentuchpäckchen auf, zieht ein Tuch heraus – und noch eins. Das wird an die Nase gehalten und gewischt. Aha, obwohl erst einmal in seinem Leben verschnupft, weiß er wohl den Kontext von „Taschentuch“ noch. Ich bin fasziniert und nehme mir die Zeit, dabei zu bleiben, ihn nicht alleine spielen zu lassen. Ich zeige ihm, wie ich mir die Nase putze, schnäuze mir die Nase. Halte ihm ein Taschentuch an die Nase, er nimmt es und wischt wieder an der eigenen Nase.
Wie zusammen spielen?
Im Emmi-Pikler-Spielraum, das meiner Meinung nach derzeit immer noch beste Konzept für Babyfrühförderung, hat mich immer gestört, dass die Kinder nur alleine die Umgebung erkunden sollen, die Erwachsenen sollen entspannt zuschauen. Eventuell sich mit etwas anderem beschäftigen und als sicherer Hafen dienen. Nicht dass ich das nicht auch häufig tun würde und wirklich gewinnbringend finde: das Kind beim Spielen beobachten, die eigene Aufmerksamkeit schenken ohne einzugreifen. Nein, was mich an diesen Spielstunden gestört hat, war, dass die Interaktion von Mutter (Vater) und Kind nur zu diesem Zweck erwünscht war.
Da fehlt mir die Interaktion, in denen Kinder lernen durch Vorbild oder auch das Spielerische zwischen Kind und Mama. Sich einfach aufeinander einlassen dürfen und miteinander Spaß haben, sich aneinander erfreuen. Vielleicht war ja auch nur dieser Pikler-Spielraum so. Aber hier wurde die Erwachsenen-Kind-Interaktion (aus gutem Grund) zurückgeschraubt, dabei für mich aber gefühlt zu weit gegangen. Sie wurde nicht als Spielplatz zur Erkundung mit einbezogen. Ein Interaktionsspielraum sozusagen.
Nach dem Windelbeutel ausräumen wird er fahrig, er sucht sich etwas anderes – bei „Lehrspielen“ kommen wir oft nicht in eine meditative Spielphase. Meditative Spiele ergeben sich meist nach einem Impuls von ihm, den ich aufnehme und ihm konsequent die Führung überlasse – vermutlich das, was im Piklerraum auch angestrebt wird. Heute habe ich keine Lust auf eine unaufgeräumte Wohnung und fordere ihn auf, mir die Windeln wieder zurück zu geben, damit ich sie einräumen kann. Das macht auch Spaß, Windeln wieder „reinstopfen“, ich gebe sie ihm, er räumt ein.
Wir gehen nach draußen auf unsere kleine Morgensonnenterasse vor der Haustür – hier kann er Steine spielen, Stöcke spielen oder klettern. Oder ihm fällt etwas anderes ein. Ich bleibe in der Verbindung mit meinem Kind. Ich setze mich auf den Holzboden an die Kante. Der Salbei ist vor mir. Ich fange an Blätter zu pflücken, ein Spiel, das wir am Tag zuvor zusammengespielt haben: Blätter für Tee pflücken. Ein gemeinsames Spiel ist es solange, wenn wir das zusammen machen. Wenn er das Interesse verliert und ich trotzdem die Notwendigkeit habe, etwas zu Ende zu bringen, ist das auch in Ordnung, aber wir spielen dann eben beide nebeneinander für uns in wohlwollender Anwesenheit des/ der anderen.
Der Kleine macht es mir nach und rupft ein paar Blattspitzen. Dann stapft er davon in unser ungeordnetes Gartengrün. Dort wird es ihm anscheinend zu dicht und hoch, als er stolpernd stehen bleibt. Er dreht sich um und greift im Zurückgehen den mit Erde gefüllten Blumentopf, der da auf einem Baumstumpf steht. Er bringt ihn auf die Terrasse und stellt ihn zwischen uns. Er nimmt Stöckchen und steckt sie in die Erde. Ich trenne mich von meinem Blättersammeln und steige in sein Spiel ein. Ich nehme Steine und lege sie zu den Stöckchen in den Blumentopf. Er zieht ein Stöckchen wieder heraus und gibt es mir. Ich stecke es wieder hinein.
Was sich langweilig anhört ist stimmungsmäßig getönt von gegenseitig beglückender Gegenwart. Wir tun gemeinsam etwas, was er kann. Er zieht die Stöckchen heraus und dreht den Blumentopf um. Die Erde bleibt drin, er wirf den Blumentopf nochmal vehementer auf die Terrasse, es knackst. Naja, der wird das wohl nicht überleben… Ich drücke mit dem Stöckchen die Erde heraus, er verwischt die Erde auf der Terrasse. Er wirft nochmal den Blumentopf auf die Terrasse. Dann hat er genug und zieht los, sich etwas Neues suchen. Mich holt der geplante Tagesablauf wieder ein und ich gehe ins Haus – erstmal Besen holen.