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Familienpraxis 

Dr. Simone Lang

In zwei Wochen wird mein kleines Kind zwei Jahre alt. Immernoch trinkt er drei- bis viermal pro Nacht an meiner Brust. Meistens geht das recht ungestört – kurzes Jammern, Trinken oder Nuckeln, wieder einschlafen. Bestenfalls bekomme ich es fast nicht mit und schlafe gleich wieder ein.

Heute nacht war ich um halb drei dann aber hellwach. Oft nutze ich die Zeit nachts, um Dinge zu machen, die tagsüber hinten runter fallen – zur Zeit den NDR Podcast von Prof. Drosten zur aktuellen Entwicklung von Corona hören. Heute meldet sich nach kurzer Zeit der Kleine allerdings schon wieder – mit irgendwas ist er unzufrieden. Ich klettere wieder ins Bett, es gibt nochmal was zu trinken, dann döse ich so langsam wieder ein. Gerade als ich wieder eingeschlafen bin, jammert das Kind schon wieder – ich bin genervt. „Mama, tlinken Blust!“ „Mama will schlafen!“ Alles hin- und herdiskutieren nutzt nichts und als er wieder beruhigt einschläft, werde ich von der aufgehenden Sonne wachgehalten – mein Körper schaltet trotz Müdigkeit auf Morgenroutine.

Zu Zeiten von Corona ist das nicht ganz so schlimm. Mein Mann ist zuhause und ich kann später nach dem Frühstück nochmal eineinhalb Stunden schlafen. Bei meinem ersten Kind war es eine Katastrophe, nach eineinhalb Jahren litt ich an chronischem Schlafmangel. Unbezahlte Schichtarbeit, bei der ich zwei- bis drei Schichten zu übernehmen hatte, ohne einen entsprechenden Ausgleich an Schlaf oder Ruhe. Nein, das mit den Schlaflernprogrammen habe ich bei der ersten durch – definitiv keine Alternative…

Schlafen lernen

Mittlerweile bin ich beim Schlafthema recht entspannt geworden (außer nach solchen Nächten wie heute…), weil ich bei dem ersten Kind gesehen habe, dass es irgendwann ganz von alleine durchschläft. Und es ist wunderbar – sie schläft heute innerhalb von Minuten ganz beruhigt und zufrieden lächelnd ein, am liebsten, mit ihrer Hand an meinem (kalten) Oberarm. Es gibt auch tatsächlich keine Diskussion, ob sie ins Bett muss oder nicht – sie geht einfach gerne ins Bett. Die Nächte, in denen sie in den letzten acht Jahren von Alpträumen geplagt wurde, kann ich an zwei Händen abzählen.

Immer wieder gibt es ja diese Eltern, die mit Stolz berichten, dass ihr Kind von Anfang an durchgeschlafen hat. Von den Schreikindeltern werden diese mit Argwohn beäugt – anscheinend gibt es nirgendwo so große Unterschiede wie im (automatischen) Schlafverhalten.

Später stehen die durchschlafverwöhnten Eltern dann oft unsicher vor anderen Schwierigkeiten, versuchen diesen mit noch mehr Zwang und Härte (auch oft als „Konsequenz“ bezeichnet) zu begegnen und verstehen gar nicht, dass das nicht alles so reibungslos klappt. Eine Auseinandersetzung mit dem Willen und den Eigenheiten eines Kindes steht irgendwann immer an – das liegt in der Natur der Sache. Jeder Mensch, vor allem ein Kind, will sich selbst ausdrücken und darin nicht eingeschränkt, sondern anerkannt sein.

Es ist eine anstrengende, nächtliche Betreuungsarbeit, um den Kleinen zu beruhigen und sein Bedürfnis nach Geborgenheit zu befriedigen.

Wenn er weint, wird er getröstet.

Der große Gewinn ist dabei: Dass er mit Schlaf das beruhigende und zufriedene Gefühl verbindet, bei uns wohlbehütet und aufgehoben zu sein. Becker-Stoll, Professorin an der Uni München und Bindungsforscherin, schreibt dazu:

„Wenn das Baby die Erfahrung macht, dass die Nähe der Eltern dabei hilft, intensive Gefühle annehmbar und bewältigbar zu machen, sucht es bei (emotionaler und körperlicher) Erregung zunehmend aktiv die Nähe der Eltern. Dies ist der Beginn eines Lernprozesses, im Verlauf dessen das Kind allmählich lernt, sich in immer mehr Situationen auch selbst zu beruhigen.“ (Bindung, eine sichere Basis fürs Leben, 2018, S.48)

Und es ist das Geschenk, das ich meinen Kinder für ihr Leben mache: sie werden auf diese ersten, zentralen Erfahrungen immer zurückgreifen können, die ihre ersten Gehirnbahnen prägen. Denn Bindungserfahrungen werden zur Persönlichkeit des Kindes. Im Kindergartenalter snd die tagtäglichen Erfahrungen der Kinder mit ihren Eltern (oder den Personen, die sie am häufigsten sehen!), die Art und Weise, wie diese mit ihnen umgehen, zu einem Teil ihrer Persönlichkeit geworden (2018, S.198). So ungemein prägend sind wir Eltern. Und Erziehungsarbeit wird nicht nur in Coronazeiten bei kleinsten Kindern zur systemrelevanten Schichtarbeit.

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