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Familienpraxis 

Dr. Simone Lang

Gestern war ein kleiner Schritt für den Kleinen und ein großer Schritt für die Geschwisterbeziehung. Die Große lag auf dem Sofa, er daneben mit seinen eineinhalb Jahren und statt auf seine Schwester mit Hauen und Knüffen zum Spielen aufzufordern, streckte er seine Hand aus und kitzelte die Große am Bauch. Sie lachte. Nochmal, wieder lachen. Eine Spiel-Lach-Kitzelkaskade entwickelte sich zwischen den beiden. Immer wieder die gleiche Aktion: Kitzeln am Bauch, immer die „Belohnung“ durch das Lachen der Schwester. Ich freute mich.

Im Mittelpunkt stehen

Die Große sich auch. Seit der Kleine da ist, muss sie in einigen Punkten zurückstecken, kann nicht mehr so auf mich „zugreifen“ wie zu der Zeit ohne Bruder. Auch haben seine Bedürfnisse oft Vorrang vor ihren, da er noch viel weniger Impulse kontrollieren und abwarten kann wie es die Große schon beherrscht. Stürzt er und weint dicke Elefantentränen, wird getröstet, er ist oft der Mittelpunkt und an erster Stelle, wenn es ums Wohlbefinden der gesamten Familie geht. Diese Leistung von ihrer Seite versuchen wir zu honorieren, indem ich bewusst Sachen mit ihr alleine mache, z.B. sehr beliebt: ins Schwimmbad fahren. Oder sie zum Tanzen bringe und hole.

Manchmal tut es der großen Schwester auch einfach gut, wenn der Bruder mit zur Schule fahren muss, obwohl er nicht in den Fahrradhänger will. Dass auch er mal zurückstecken muss. Einfach so, für ihr Gerechtigkeitsgefühl.

Geschwisterliebe

Geschwisterliebe? Geht das überhaupt? Oder werden Geschwister in der Familie nicht automatisch zu Konkurrent!nnen? Die sich das oft rare Gut der Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Eltern teilen müssen und manches unerfüllt bleibt – auch grundlegende Bedürfnisse? Heutzutage meist nicht mehr Essen oder Kleidung. Aber Zuwendung und Achtsamkeit im Umgang mit dem Kind?!

Auch gesellschaftlich gesehen ist im Kapitalismus der Kampf um den besten Platz an den „Fleischtöpfen“ das Hauptspiel, das die meisten Erwachsenen spielen. Möglichst weit nach vorne kommen, survival of the fittest, aber was ist der oder die Fitteste? Sich sein Essen zu „erbeuten“ gehört wohl dazu, genauso aber auch Formen von Gemeinschaft als lebenslange Ressource. Warum also den Überlebenskampf in der Familie austragen.

Geschwisterbeziehung aufbauen

Aber zurück zum Beispiel. Wir versuchen also aktiv gegenzusteuern, den Zeit- und Zuwendungsüberfluss, in dem der Kleine noch schwelgen darf, für die Große etwas auszugleichen. Dennoch habe ich mich am Anfang recht hilflos gefühlt. Ich hatte eine Bindungen zu ihnen je einzeln, die anfangs noch störanfällig sich entwickelte mir manchmal entglitt und wieder aufgenommen wurde.

Wie mit beiden zusammen kommunizieren? Die ersten Versuche gingen dahin, gemeinsame Spiele mit allen zu finden, in denen beide ihre Rolle finden können. Zum Beispiel Bauklötze aufstellen und vom Kleinen wieder umwerfen lassen. Ziemlich schnell wollte die Große aber, dass ihre Bauklötze erst dann umfallen, wenn sie es will und später, dass ihre Bauwerke auch mal stehen bleiben. Ball einander zurollen und werfen hat dann ganz gut geklappt.

Gerade zu Anfang, als der Kleine noch kleiner war, und die Große von der Schule kam, sind sie zwar aufeinander zugestürzt, aber der Kleine hat dann vor lauter Überschwang gar nicht mehr gewusst, wohin mit der plötzlichen Energie und Lautstärke. Einander nachjagen, war dann eine gute Art, Energie los zu werden – immer von der Küche in den Gang, vom Gang ins Wohnzimmer, vom Wohnzimmer in die Küche. Die Große vorneweg, der Kleine hinterher. Hat aber bei meinem Söhnchen teilweise zu heftigen Stürzen gegen Türen oder Schränke geführt, wenn die Kurve plötzlich enger war als die Füße laufen konnten. Und wie und wann die beiden zusammen alleine lassen? Hier spielten die Übergänge wieder mal eine große Rolle. Im Morgentrubel oder bei der Rückkehr aus der Schule den Kleinen noch mehr bei mir zu behalten, ihn weniger energetisch „hochfahren“ zu lassen und ihn dann völlig erschöpft schon morgens nach Frühstück wieder hinlegen zu müssen.

Gemeinsam Lösungen suchen – Lösungen finden

Und es gab diese Zeit, wo der Kleine der Großen Schläge verpasste. Wenn ihm langweilig wurde und die Schwester schon so schön praktisch auf dem Boden herumlag. Oder ihr die Krallen ins Gesicht schlug, dass sie blutete. Und kein Zurechtweisen ihrerseits ihn stoppen konnte. Festhalten ging solange gut, bis er wieder frei war. Manchmal war es in der Familie der Impuls, dass wir einen Szenenwechsel brauchten – mal rausgehen. Gemeinsam suchten wir Lösungen, denn zurückschlagen, war ein Impuls, den sie zu Anfang wenig hatte. Und sie versuchte es, dass sie, um sich zu schützen, auch mal wegging. Oder auch mal zurückkniff. Oder wir einen Zaun aufstellten, beide ihren eigenen Bereich bekamen.

Einmal hat sie es schön auf den Punkt gebracht, als sie mir zuliebe akzeptierte, dass wir nicht verreisten: „Es muss ALLEN damit gut gehen.“ Weise Worte.

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