Heute sitze ich ungewöhnlicherweise bereits morgens um acht am Laptop und schreibe. Ungewöhnlich deshalb, wir ständig unsere Tagesabläufe verändert haben, um der Entwicklung des Kleinsten gerecht zu werden. Jetzt ist das kleine Kind bald zwei und alles spielt sich etwas ein – ergo, der Zeitplan geht auf.
Arbeit teilen
Diese Tatsache kommt zustande, da mein Partner und ich seit der Geburt des zweiten Kindes versuchen, die anstehenden Arbeitsabläufe zu teilen – Erwerbsarbeit wie auch Erziehungsarbeit wie auch die Hauswirtschaft. Das dauert alles seine Zeit, da wir kein traditionelles Modell auf unser kleine Familiensystem stülpen wollten. Leitmotiv war für uns, dass wir alles „gleichberechtigt teilen“ wollten.
Die Hauptverantwortung in der Erwerbsarbeit hat derzeit mein Partner, in der Erziehungsarbeit ich. In der Hauswirtschaft bin ich Chefin für die Grundordnung im und ums Haus und er übernimmt hauptverantwortlich alles, was mit Essen und Wäsche zu tun hat.
In die Erziehungsarbeit wächst er hinein, in die Erwerbsarbeit muss ich mich derzeit ziemlich alleine wieder zurückkämpfen. Deshalb hole ich mir Hilfe, denn bereits bei der Planung des zweiten Kindes spielte die Frage nach dem Berufsaus- und -wiedereinstieg eine große Rolle. Doch zur Zeit lässt mich Sorge darum nicht schlafen. Dies wird natürlich verstärkt davon, dass der Kleine nachts drei- bis sechsmal an meiner Brust trinken möchte.
Energiediebe Sorgen
Gestern nacht war mal wieder so einen Nacht. Der Kleine will um eins trinken, er schläft wieder ein, mich halten die Sorgen um meine berufliche Zukunft wach, ich beginne zu lesen. Als ich müde werde und gerade wegdämmern will, erreicht mich das Jammern des Kleinen „Mama, tlinken Blust“ (unser kleiner Chinese…). Ich gebe ihm gewünschtes, was ihn beruhigt einschlafen lässt und mich aufgrund sorgenvoller Grundstimmung zu meinem Buch zurückführt. Um fünf bin ich dann auch nicht mehr wirklich müde, um sechs stehe ich auf. Heute steht ein langer Tag an – ich werde mit den beiden in den Wildpark in Güstrow fahren, der Papa kommt erst abends um sieben heim.
Wenn Mütter zu wenig Zeit „für sich“ haben, ist ein Ratschlag, sie müssten Arbeitsabläufe anders organisieren. Jede Neuorganisation hat jedoch Nebenwirkungen, die teils verschwiegen oder umgedeutet werden, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Heute morgen habe ich mal wieder deutlich gespürt, was es kostet, dass ich zuhause arbeite, also derzeit schreibe. Papa wird automatisch zur Bezugsperson des Kleinen und ich stehe erst in zweiter Reihe. Das tut manchmal weh. Und ich kann es nur „ertragen“, wenn ich einen Sinn darin sehe – beispielsweise, dass ich jetzt schreiben kann, was ich gerne tue.
Wann ist zu früh zu früh?
Ich finde das nicht schlimm, sondern logisch. Jetzt wurde nach der Geburt diese Menge an Bindungshormonen ausgeschüttet, dann wird das ja wohl auch für etwas gut sein.
Vor einiger Zeit hörte ich ein Gespräch mit. Es unterhielten sich eine Großmutter und ein Großvater stolz über ihre Enkel. Der eine war gerade ein Wochenende bei den Großeltern gewesen, am letzten Tag habe es dem Kleinen, der noch kein Jahr alt war, dann aber auch gereicht und er wollte zurück zu seiner Mutter. Leider sei es der Mutter damit nicht so gut gegangen – sie hätte ihn nicht gehen lassen wollen. Vielleicht ist dieses Gefühl ja richtig und wichtig und zu früh ist zu früh?
Auch wenn von außen die öffentliche Meinung Druck auf uns Mütter ausübt, das Baby „loszulassen“, es sollte in der Hand der beiden liegen, die die Beziehung haben, wie und wann bestimmte Schritte in die Selbständigkeit des Kindes gegangen werden. Leider haben wir in den Familien die Freiheit in der Regel nicht, da die Erziehungszeit nicht bezahlt wird, es gibt (noch) kein Familienarbeits-Grundeinkommen – bedingungslos für Erziehende.
Bindungserfahrungen prägen die Persönlichkeit
Für das Kind ist es in Beziehungen notwendig, die ersten Jahre gut gebunden zu werden. Für die Mutter ist es emotional ebenso wichtig, nur beruflich und damit meist finanziell schlecht, denn wie formuliert es die Rentenkasse sinngemäß sehr schön: Da viele Frauen nur in Teilzeit einer Erwerbsarbeit nachgehen, ergeben sich in der Rente gravierende Unterschiede zu den Rentenansprüchen von Männern.
Das heißt für mich, wie ich es mache, ist es immer blöde – bin ich weg vom Kind in der Vollarbeitszeit, verliere ich meinen engen Kontakt zum Kind, was in den ersten Lebensjahren notwendig ist. Enge Bindungen führen zu Beziehungserfahrungen, welche in den ersten Jahren in besonderer Weise die Persönlichkeit des Kindes prägen ( Fabienne Becker-Stoll, 2018, S.198).
Eine fehlende enge Bindung ist auch nicht gut für MEINE emotionale Entwicklung – die ja stattfindet. Traumata bei der Geburt zeigen, wie sensibel eigentlich das Thema Mutter-Kind-Beziehung angegangen werden sollte.
Eltern brauchen Sicherheit
Betreue ich jedoch mein Kind mit hohem Zeitaufwand, muss ich mir berechtigte Sorgen um mein finanzielles Überleben im Alter machen. Gesellschaftlich ist das nur deshalb kein größeres Problem, weil es mit dem staatlich subventionierten Verband der Ehe gelöst wird. Problematisch wird ein Scheitern dieses Verbandes regelmäßig auch nur für die Kinder und die Mütter in Teilzeit. Sie sollen dann auf einmal wieder nahtlos an ihrer Karriere ansetzen, die sie aufgrund der Erziehungsarbeit nicht mehr weiterverfolgt haben.
Derzeit überlege ich, ob ich nicht den deutschen Staat auf Entschädigung verklagen soll, dass ich hier „human ressources“ aufbaue ohne die er nicht existieren würde. Ich bin mir nurnoch nicht sicher, ob ich fordere, dass mir die ersten drei Erziehungsjahre eine durchschnittliches Gehalt gezahlt wird für meine Erziehungsleistung oder ob ich möchte, dass mir bis zum achtzehnten Lebensjahr meiner Kinder eine halbe Stelle eines Durchschnittsgehaltes gezahlt wird. Am besten beides.
Für mich ist es erstaunlich, wie Mütter es doch immer wieder schaffen, großartig im Leben zu stehen, das zu tun, was ansteht und dabei noch unglaublich gut auszusehen. Für mich trifft immer wieder der Begriff „hilarious“, es ist einfach toll wie wir das machen und zumindest das kann uns niemand nehmen – Mütter sind einfach fantastisch, incredibly handsome and wonderful.