Wenn mein großes Kind (8) sich abends alleine auszieht, dann stopft sie oft ihre Kleidung einfach in die oberste Schublade. Das ist ihre Strategie, denn damit ist der Boden frei (das will Mama) und es geht schnell und einfach. Nachteil ist nur, dass Mama das irgendwann auffällt und sie damit auch nicht zufrieden ist…
Am Wochenende war es mal wieder soweit – die oberste Schublade war fällig.
Punkt 1: Zeit haben, sich Zeit lassen
Jetzt habe ich die Erfahrung schon öfter gemacht, dass Aufräumen eine Frage der rechten Stimmung ist. Will ich, dass wir „nur noch schnell“ aufräumen, wird es eine Katastrophe, die in Tränen endet.
Es gibt für mich also zwei Möglichkeiten: entweder ich mache es alleine oder ich nehme mir Zeit. So entscheide ich situativ mal so oder so – je nach eigener Stimmung.
Aufräumen lernen heißt gemeinsam aufräumen
Grundsätzlich habe ich die Entscheidung getroffen: Wenn das langfristige Ziel ist, dass das Kind das eigene Zimmer selbst aufräumen soll, dann muss ich mit ihr zusammen aufräumen, den Übung macht die Meisterin.
So war gestern Abend das Aufräumen als Tagesordnungspunkt eingeplant. Die Kleider der obersten Schublade hatte ich zwei Tage vorher auf den Boden gezerrt mit der Ansage: Das müssen wir am Sonntag noch aufräumen.
Punkt 2: Nur eine kleine Sache zusammen aufräumen
Beliebt ist bei mir auch die Falle, „vom Hundertsten ins Tausendste“ zu kommen. Als wir in ihr Zimmer gehen, sehe ich den Schreibtisch, auf dem allerlei herumliegt. Auch das Regal hat gerade ein Platzproblem – dafür muss ich aber erst unser Dach- und Lagerzimmer freiräumen… Ich mahne mich selbst zur Konzentration, verschiebe den Schreibtisch auf morgen oder auf eine alleine Aufräum-Aktion und gehe zielstrebig zum Kleiderhaufen.
Punkt 3: Zusammen üben heißt, die Kinder etwas lehren
So saßen wir dann am Abend einträchtig auf dem Boden, hängten Kleider auf Bügel, falteten Longsleeves und Leggings.
Generell weiß sie, wie die Kleidung zusammengelegt wird – das habe ich ihr das letzte Mal gezeigt. Denn meine kleine Schlaumeierin hatte natürlich das Argument bei der letzten gemeinsamen „Kleider-Aufräumaktion“, das sie das nicht wüsste, wie sie die Sachen zusammenlegen soll. Wir orientieren uns da an dem System von Marie Kondo, das heißt, wir stapeln die Kleidung in Schubladen.
Was ich als Erwachsene vorstrukturieren muss
Es wird klar, dass die Forderung an unsere Kinder, dass sie selbst aufräumen sollen, voraussetzt, dass auch wir selbst aufräumen. Und für ein gemeinsames, freudvolles Aufräumerlebnis braucht es Vorarbeit von uns Erwachsenen, die wir den Kinder noch nicht zumuten können.
Punkt 4: Praktische, schöne Aufbewahrungssysteme
Wir erleichtern uns das Aufräumen, indem wir klare Aufräumsysteme haben, z.B. ein Regal für die Bücher, einen kleinen Schrank mit Kisten für die Spielsachen und einen auch für das Kind übersichtlichen und zugänglichen Schrank (z.B. das Schranksystem Pax von Ikea).
Punkt 5: Kategorien schaffen
In den Aufbewahrungssystemen muss klar sein, wo welcher Gegenstand einen eigenen Platz hat.
- Bei unserer Kleider-Aufräumaktion gab mir meine Tochter zunächst Kleiderbügel und ich hängte die Kleider auf. Sie ordnete sie auf der Kleiderstange im Schrank ein.
- Dann kamen die Longsleeves dran. Nach dem Geruchstest (Das kommt in die Wäsche!) falteten wir jede für uns selbst und stapelten sie in die entsprechende „Longsleeve-Schublade“.
- Danach waren die Leggings dran – das gleiche Spiel: ausbreiten, Hosenbein auf Hosenbein, in der Hälfte falten, noch drei Mal falten und in die Hosen-Schublade stapeln. Der Boden sah schon mal nicht schlecht aus!
Punkt 6: Sachen reduzieren
Jetzt im August, auf dem Weg zum Herbst, ist für mich verstärkt die Zeit, loszulassen. Auch und vor allem Gegenstände. Gibt es Oberteile, die meiner Tochter zu klein sind? Dann ab zum Altkleidersack oder für den Kleinen aufbewahren.
Abgegebene Sachen schaffen Freiraum! Platz in der Wohnung gibt dem Unterbewussten ein gutes Gefühl, das uns tagtäglich beflügelt. Für das Wegwerfen kann es helfen, zu überlegen, ob ich den Gegenstand brauche (also im letzten Jahr einmal genutzt habe) oder er mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Alles andere darf getrost gehen. Die nachhaltige Entsorgung ist eine weitere Belastung, bei der aber ebenfalls gilt: macht es mir Freude, die aussortierten Sachen an eine Freundin zu verschenken oder macht es mehr Freude, sie einfach und schnell in den Container zu werfen.
Punkt 7: Zusammen üben heißt „Aufräumen spielen“
Die Punkte zwei bis fünf sind also alles Dinge, die ich alleine für den guten, gemeinsamen Aufräumstart vorbereiten kann. Habe ich als Erwachsene das Kinderzimmer dementsprechend vorstrukturiert, steht dem entspannten zusammen Aufräumen nichts mehr im Wege. Dem Kind macht es Spaß, Sachen dahin zu räumen „wo sie hingehören“.
Es ist ein Spiel, das wir schon von klein auf gerne und automatisch machen – Was gehört zusammen? Wo gehören die Legos hin? Ah ja, in die Lego-Schublade. Na, dann lass´ sie uns mal zusammen einräumen. Wo ist der Platz für die Malsachen? Im Regal, genau. Wo hattest du nochmal deine Bastelsachen? Da oben in der Kiste – stimmt ja. Kommst du da hoch?
Punkt 8: Viele gemeinsame kleine Aufräumaktionen schaffen
Viele kleine schöne Aufräumaktionen verknüpfen im Gehirn eine freudvolle emotionale Grundstimmung mit den Aufräum-Aktionen. Vielleicht ist es die eine Zeit am Wochenende, die Mama nur mit mir zusammen hat und wird als solche immer positiv in Erinnerung bleiben. Dieser langsame Lernweg bleibt dem Kind für immer erhalten – education at it´s best. Möchte ich, dass mein Kind glücklich ist, kann das ein wertvoller Beitrag dazu sein, dem Kind Selbstwirksamkeit und Freude mit auf den eigenen Lebensweg zu geben – auch und gerade mit einer ganz alltäglichen Sache wie dem Aufräumen. Und wenn es Spaß macht, klappts irgendwann auch alleine!