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Familienpraxis 

Dr. Simone Lang

Fahrrad fahren lernen helfen

Unsere Vorstellungen von dem, wie wir unseren Kindern etwas beibringen wollen, sind meistens wenig hilfreich. 

Am Beispiel Radfahren: Wie oft sehen wir Eltern, die auf ihre Kinder einreden? Sie reden auf ein Kind ein, das in höchster Konzentration alles gleichzeitig versucht: zuhören, Gleichgewicht halten, lenken, beim fast Umfallen schnell den Fuß von der Pedale nehmen, weinen, weil das Gefühl des Sturzes so erschreckend war, sich wieder zusammenreißen, wieder zuhören, wie es richtig sein soll, etc.

KINDER LERNEN BEWEGUNGEN NICHT, WEIL WIR IHNEN UNSERE ERFAHREN SAGEN, SONDERN NUR DURCH EIGENE ERFAHRUNGEN!

Bin ich als Hilfestellung bereit?

Beim Laufen lernen wissen wir, dass wir die Kinder nicht dazu bringen, schneller oder besser laufen zu lernen, indem wir sie an der Hand nach vorne ziehen, im Gegenteil.

Glücklicherweise hat sich beim Laufenlernen mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass es wenig sinnvoll ist, das Kind auf die Beine zu stellen und zum Laufen zu ermuntern. Vielmehr hat sich die Erkenntnis bei Eltern flächendeckend durchgesetzt, dass

1.Kinder ihr eigenes Tempo haben. 

=> Das heißt, Eltern warten und beobachten, wann das Kind bereit ist, sich selbst auf die eigenen Beine zu stellen.

2.Kinder ihre eigenen Methoden finden, sich aufzurichten.

=> Das heißt, Eltern stellen Bewegungsräume zur Verfügung, z.B. indem es im Wohnzimmer Sofa oder Stühle gibt als Möglichkeiten, sich hochzuziehen.

3.Kinder, die überfordert sind, nach ihren Eltern rufen. 

=> Das heißt, Eltern stehen zur Verfügung, wenn ein Kind Hilfe braucht und reagieren auf die Rückmeldung ihrer Kinder, welche Hilfen sie brauchen.

Diese Erkenntnis lässt sich genau so auf alle anderen Bewegungsfelder übertragen, sei es Schwimmen, Radfahren oder Sportarten zu lernen.

KINDER BRAUCHEN ERWACHSENE, DIE SIE BEGLEITEN UND ZUR VERFÜGUNG STEHEN, WENN SIE GEBRAUCHT WERDEN.

Wenn das Kind dann auf dem Fahrrad vorwärts kommen möchte, ist die Frage, wie wir dabei unterstützen können. Dabei müssen wir uns selbst einschätzen: Welche Hilfen können wir geben? Welche überfordern uns?

  • Wie beweglich bin ich? Kann ich mitrennen und gleichzeitig eine Gleichgewichtshilfe sein?
  • Wie vertrauensvoll oder ängstlich bin ich?

Tipp 1: Höre auf zu reden

Bewegungslernen geht im Gehirn nicht über die sprachliche Ebene, sondern über das Kleinhirn. Deshalb ist es für dein Kind eine zusätzliche Belastung, wenn du Anweisungen gibst. Und auch du kannst dich besser auf deine Unterstützungsarbeit konzentrieren, wenn du nicht selbst reden musst.

Tipp 2: Der Start ist bergab leichter

Ich meine dabei einen leicht abfallenden Weg und keinen steilen Berg. Wenn wir leicht bergab starten, muss nicht sofort die Pedale getreten werden, was eine Hilfe darstellt. 

Tipp 3: Stützgriff am Sattel

Der Moment des Losfahrens ist ein schwieriger Balanceakt. Die erste Hilfe, die wir geben können, ist beim Aufstieg. Zunächst kann der Lenker vorne und der Sattel hinten gehalten werden, so dass das Kind aufsteigen kann. Hat das Kind viele Laufraderfahrungen gesammelt, kann der Lenker ab dann losgelassen werden und nur der Sattel hinten gehalten werden. 

Die ersten Versuche werden nur eine kurze Fahrzeit haben. Wenn das Kind auf eine Seite abfällt, wird es den Fuß abstellen – einer der wichtigsten Lernschritte: Wie sichere ich mich ab, wenn ich umkippe!

Hier wird klar, weshalb ein kleines, leichtes Rädchen, bei dem das Kind mit beiden Beinen auf den Boden kommt, so wichtig ist. Der Moment der Unsicherheit und das damit verbundene Gefühl der Verunsicherung sind dann nur kurz. 

Tipp 4: Das Kind führt

Für uns Eltern mag es zunächst komisch sein, dass wir uns von unserem Kind führen lassen. Es ist wie beim Paartanz und dein Kind führt und du gehst mit. 

  • Wenn das Rad ins Rollen kommt, wird eine Schwierigkeit das Lenken sein. Der Lenker kann sich quer stellen und das Kind muss absteigen. Oder es bekommt den Lenker in den Griff und wackelt hin und her. Hier kannst du am Sattel ein wenig ausgleichen, wenn du meinst, dass es dem Kind Sicherheit gibt.
  • Das Kind wird vermutlich nicht gleich nach vorne schauen, erst einmal in die Hecke oder auf das Nachbargrundstück fahren und von der geraden Wegführung abweichen. Greife nur ein, wenn es absolut notwendig ist, aber gib deinem Kind das Gefühl, da zu sein, wenn es dich braucht. Das geht körperlich, indem du immer mitläufst.
  • Vielleicht möchte dein Kind gar nicht zuerst geradeausfahren, sondern entwickelt Spaß am Kurven fahren?  Eventuell will es einen Schritt zurück und wieder einfach nur aufsteigen, absteigen oder das Rad schieben? Alles ist stimmig und passend, wie dein Kind mit dem Rad ins eigene Spiel kommt – welches Spiel das auch sein mag.
  • Signalisiert dein Kind, dass es genug hat, dann hört auf.
  • Vielleicht möchte dein Kind dann bald wieder etwas mit dem Fahrrad machen? Lernprozesse sind meistens nicht linear, sondern entwickeln sich zyklisch. Das heißt, Dinge, die als freudvoll erlebt wurden, auf die wird wieder zurückgegriffen. Nach dem Aufsteigen muss nicht zwangsweise gefahren werden, es kann auch wieder abgestiegen und das Fahrrad geputzt werden, weil das gestern so Spaß gemacht hat.
  • Es kann sein, dass dein Kind eine Sache immer und immer wieder machen möchte.
  • Fährt dein Kind gerade aus, dann renne mit dem Sattelgriff mit. Lasse niemals los, ohne es deinem Kind zu sagen. Lasse niemals los, wenn es dein Kind nicht möchte – du verlierst das Vertrauen deinen Kindes, etwas was es unbedingt in einer unsicheren Situation des Neulernens braucht.

DU BIST DIE SICHERE BASIS DEINES KINDES!

Siehe auch: Radfahren lernen – Vorstufen und Erleichterungen

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